... und einen Überblick über die notwendigen Geräte und
Systeme.
Interview mit Prof. Dr. Kerstin Thurow
GIT: Wie definieren Sie Laborautomatisierung?
Wendet man die allgemeine Definition von Automatisierung auf den Laborbereich an, bedeutet Laborautomation, dass alle Prozesse und Abläufe im Labor ohne unmittelbaren Eingriff des Menschen möglich sind. Das umfasst nicht nur die Durchführung der einzelnen Prozessschritte, sondern auch die Steuerung und Regelung sowie (teilweise) die Kontrolle von Automationssystemen.
GIT: Was sind Ihrer Meinung nach die elementarsten Bestandteile dieser?
Im Zeitalter der Digitalisierung wird unter Laborautomation in erster Linie eine Vernetzung von Geräten, ein Austausch von Daten etc. verstanden. Laborautomation benötigt aber auch geeignete Geräte und Systeme, die die üblicherweise vom Menschen manuell durchgeführten Prozessschritte übernehmen können. Das klingt trivial, kann aber je nach Ablauf eines Laborprozesses beliebig kompliziert werden. Laborautomatisierung ist für mich ganz klar die Automatisierung sowohl des Materialflusses als auch des Informations-(Daten) flusses.
GIT: Welche Anforderungen muss die Automatisierung Ihrer Meinung nach erfüllen?
Die klassische Antwort wäre hier, dass Automation robust und zuverlässig sein muss, dass das Kosten/Nutzen-Verhältnis stimmen muss, dass Durchsätze erhöht werden usw. Für mich ist die wichtigste Anforderung, dass Automation für den Menschen gemacht sein muss. Sie muss den Menschen in seiner Arbeit unterstützen, darf ihn nicht behindern und ihm natürlich auch nicht schaden.
GIT: Wie denken Sie über den Einsatz von Robotern?
Spontan würde ich sagen, ich liebe Roboter. Sie haben heute so viele Bereiche unseres Lebens erobert und sind aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken. Ich sehe Roboter als gute Hilfsmittel an, uns Menschen die Arbeit zu erleichtern, uns von ergonomisch schwieriger, langweiliger repetitiver oder sogar gesundheitsgefährdender Arbeit zu entlasten.
GIT: Welche Vorteile bietet die Automatisierung? (Stichwort Digitalisierung und Konnektivität)
Durch Automatisierung werden Prozesse und damit auch deren Ergebnisse vereinheitlicht. Gerade im wissenschaftlichen Bereich wird häufig die mangelnde Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen beklagt. Mit Automatisierung können wir dieses Problem sehr gut lösen. Die wachsende Konnektivität von Geräten und Systemen führt zu weniger Übertragungsfehlern und ermöglicht einen besseren Datenaustausch und Zugang zu Daten für einen steigenden Personenkreis. Die zunehmende Digitalisierung birgt aber auch Probleme, z.B. im Hinblick auf Datensicherheit und -schutz.
GIT: Viele Personen denken leider, dass die Automatisierung Ihnen die Arbeitsplätze wegnimmt. Was antworten Sie diesen Personen?
Es stimmt, dieses Argument wurde lange Zeit genannt und wird auch heute noch als Begründung z.B. für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens genannt. Mittlerweile gibt es aber eine Reihe seriöser Studien, die belegen, dass Automatisierung, auch in Verbindung mit dem Einsatz von Robotern, mehr Arbeitsplätze schafft als vernichtet. Irgendwer muss ja all die neuen Roboter und Systeme entwickeln, programmieren, bedienen, warten etc. Ja, unsere Arbeitswelt wird sich verändern. Vorwiegend manuelle Tätigkeiten werden verschwinden und automatisierte Prozesse werden zunehmen. Unternehmen, die in Deutschland automatisieren, haben aber i.d.R. nicht den Abbau von Arbeitsplätzen im Sinn, wenn es um Automatisierung geht. Vielmehr stehen da Fragen der Effizienzsteigerung und Lösungen für das Problem des zunehmenden Fachkräftemangels im Mittelpunkt. Letztlich geht es um den Erhalt des Wirtschaftsstandortes Deutschland – ohne Automatisierung für mich nicht denkbar.
GIT: An wen richtet sich Ihr Buch (Zielgruppe?)
Ursprünglich war das Buch für Studierende gedacht, die bei uns eine Ausbildung in biomedizinischen Verfahrenstechniken erhalten. Ziel war es, eine umfassende Zusammenstellung zu haben, was alles zur Laborautomation dazugehört, welche Konzepte und Lösungen es gibt. Dabei geht es neben der Darstellung möglicher Geräte und Systeme auch um die Vermittlung der zugrundeliegenden physikalischen Prinzipien und Faktoren, die einen wesentlichen Einfluss auf die Automatisierung und deren Ergebnisse haben. Herausgekommen ist ein Buch, das sich an alle Personen richtet, die in ihrem Arbeitsumfeld Labor gern automatisieren möchten. Es ist gleichermaßen eine Grundlage für Laboranten, Techniker, Wissenschaftler und Entscheider.
GIT: Was sind die wichtigsten Inhalte Ihres Buches?
Das Buch ist recht breit angelegt. Es bietet zunächst einen Einblick in grundlegende Konzepte und Systemstrukturen von Automationssystemen. Anschließend werden Lösungen für die Automatisierung einzelner Prozessschritte erläutert. Das sind natürlich Dosierprozesse, aber auch Fragen der Temperierung, des Mixens, der Probenaufreinigung bis hin zur Probenidentifikation. Weitere Abschnitte sind der Robotik sowie gängigen analytischen Verfahren im Labor gewidmet. Ferner gibt es einen Überblick über Schnittstellen in der Laborautomation und es werden Prozessleit- sowie Workflow-Management-Systeme vorgestellt.
GIT: Was glauben Sie, wird uns die Automatisierung der Labore in Zukunft ermöglichen?
Technisch gesehen werden wir durch Automatisierung in vielen Bereichen steigende Probendurchsätze realisieren können, was z.B. in der medizinischen Diagnostik von Bedeutung ist. Wirtschaftlich gesehen ist die Automatisierung in meinen Augen der einzige Weg zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und im Kampf gegen einen zunehmenden Fachkräftemangel. Unsere Arbeitswelt wird sich ändern, wir werden mehr Zeit haben, uns auf das zu besinnen, was Menschen ausmacht: denken und soziale Wesen sein. Für mich persönlich wird es hoffentlich noch lange interessante und spannende Prozesse geben, die im Labor automatisiert werden sollen und müssen.