Frauen haben bisher kaum Chancen auf Lehrstühle an deutschen Universitäten. Einige ungewöhnlich junge
Professorinnen haben es dennoch geschafft.
......... Den Titel „jüngste Professorin Deutschlands“ verlor Meckel inzwischen an Kerstin Thurow, 30. Im Oktober wurde die auf den Lehrstuhl für Laborautomation an die Uni Rostock berufen. Ihre Habilitation in Ingenieurswissenschaft hatte die Diplomchemikerin schon mit 29 Jahren vorgelegt. Die Rostockerin arbeitet zwölf Stunden täglich, sechs Tage die Woche. Zeit fürs Privatleben bleibt ihr kaum. „Es ist schwierig – mit einem Partner, der immer nur jammert, dass man zu wenig Zeit hat, wäre es die Hölle.“ In der Habilitationsphase eine Familie zu gründen hält Thurow für ausgeschlossen. Danach sei es – wie in anderen Berufen auch – ein lösbares Problem. Doch für Akademikerinnen, die erst mit über 40 eine Stelle antreten können, stellt sich die Frage nach Kindern oft gar nicht mehr. Der Anteil der Professorinnen, die allein leben, ist dreimal so hoch wie bei den männlichen Kollegen. Dass sie „besser sein muss als die Männer“, ist für Thurow eine Selbstverständlichkeit. „Aber wenn man das will, schafft man das auch.“ Quotenregelungen hält sie für kontraproduktiv. Sie glaubt, dass es zu wenig Frauen gibt, die sich bewusst für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheiden, und hofft, dass ihr Beispiel Schule macht. In der Wissenschaftswelt – wie sonst oft auch – mangelt es an weiblichen Vorbildern.
Pionierarbeit zu leisten kostet Kraft. Ehrgeizige Frauen werden schnell als Karrierefrauen abgestempelt. Den entsprechenden Begriff für Männer im Chefsessel gibt es nicht. „Wenn man dann aber mal drin ist“, sagt Thurow, „wird es leichter.“
.....
Katharina Stegelmann DER SPIEGEL 51/1999